Andrea Hartmann-Piraudeau

Von Dr. Imke Wulfmeyer

Rechtsanwältin und Mediatorin (BAFM/BM), Mitglied des Vorstandes der Bundes-Arbeitsgemeinschaft für Familien-Mediation e.V. (BAFM)

Zertifizierter Mediator (m/w/d) nach der Rechtsverordnung zum deutschen Mediationsgesetz (ZMediatAusbV) – das klingt nach einem anspruchsvollen Qualitätssiegel, das von einer unabhängigen Zertifizierungsstelle verliehen wird. Kein Wunder, dass dieser Titel nicht nur bei den Absolvent*innen von Mediationsausbildungen sehr beliebt ist, sondern sich auch auf dem Markt durchgesetzt hat. Wer berechtigt ist, im Berufstitel auf eine Zertifizierung hinzuweisen, der muss doch wohl seine professionelle Kompetenz nach objektiven Kriterien gegenüber einer unparteilichen Prüfstelle nachgewiesen haben. Offenbar muss es eine Art „TÜV“ oder Führerschein für professionelle Mediator*innen geben – so kommt es bei den Verbraucher*innen an. Aber entspricht das auch den Tatsachen? Bisher leider nicht!, lautet die kurze, ernüchternde Antwort.

Was bedeutet „Zertifizierung“ nach der Rechtsverordnung zum Mediationsgesetz?

Bei der so genannten Zertifizierung nach der Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren (Zertifizierte-Mediatoren-Ausbildungsverordnung – ZMediatAusbV) handelt es sich um nichts anderes als eine Selbsteinschätzung. An einer neutralen, unabhängigen Stelle, die die von der Rechtsverordnung geforderte Qualifikation überprüft, hat es bislang gefehlt. Stattdessen können Absolvent*innen einer Mediationsausbildung selbst entscheiden, ob sie die gesetzlichen Anforderungen erfüllen, um mit Hilfe des Titels „zertifizierter Mediator (m/w/d)“ eine professionell anmutende Außenwirkung zu erzielen. Zwar bescheinigt ihnen das eigene Ausbildungsinstitut, dass sie einen 120-stündigen Lehrgang mit in der Verordnung normierten Inhalten „erfolgreich“ durchlaufen und eine Einzelsupervision im Anschluss an eine (einzige!) eigene Mediation durchgeführt haben. Nach welchen Kriterien dieser erfolgreiche Abschluss zu messen ist, bleibt dabei aber unklar. Einmal ganz abgesehen davon, dass es weder normierte Kriterien für die Fachkompetenz der Ausbilder*innen noch für die der Supervisor*innen gibt: Es kommt praktisch nicht vor, dass Ausbildungsinstitute ihren eigenen Absolvent*innen die von der Rechtsverordnung geforderte Bescheinigung mangels Kompetenz oder mediativer Haltung verweigern. Wie sollten sie auch ihre eigenen Kund*innen, von deren Zufriedenheit und Kursgebühren ihr wirtschaftliches Überleben abhängt, dermaßen brüskieren? Das wäre ja höchst geschäftsschädigend! Um im Bild zu bleiben: Nicht umsonst werden Führerscheine von unabhängigen Prüfstellen und nicht von den Fahrschulen direkt an ihre Kund*innen vergeben.

Wenn es um den Erhalt der so genannten Zertifizierung geht, ist die Lage sogar noch bedenklicher. Hier werden aktuell noch nicht einmal die Ausbildungsinstitute involviert. Stattdessen wird von den frisch gebackenen Mediator*innen selbst erwartet, dass sie den begehrten Titel wieder von ihrem Briefkopf, ihrem Türschild oder ihrer Visitenkarte entfernen, wenn es ihnen nicht gelungen ist, innerhalb von zwei Jahren nach Abschluss der Ausbildung vier weitere eigene Mediationsfälle zu akquirieren und in die Supervision einzubringen. Gleiches gilt, wenn sie nicht regelmäßig im vierjährigen Turnus 40 Fortbildungsstunden absolvieren. Auch hier fehlt jegliche Kontrollinstanz bis auf die theoretische Möglichkeit, von missgünstigen Kolleg*innen abgemahnt zu werden. Dieses Risiko dürfte in der Praxis zu vernachlässigen sein.

Was versteht das internationale Recht unter Personenzertifizierung?

Mogelpackung, Etikettenschwindel, Irreführung der Verbraucher*innen – so lauten die wenig schmeichelhaften Urteile der Fachwelt über die herrschende Praxis der Selbstzertifizierung nach der Rechtsverordnung. Und das nicht von ungefähr: Aus der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 vom 9. Juli 2008 ergeben sich die Voraussetzungen für die Personenzertifizierung, die auch in den einschlägigen DIN/ISO-Normen umgesetzt werden. Die Zertifizierung von Personen muss demnach folgenden Anforderungen genügen:

  • Die Zertifizierungsstelle muss neutral und unparteilich sein.
  • Regelungen und Verfahren der Zertifizierung müssen fair und transparent sein.
  • Mitgliedschaft darf kein Kriterium für die Zertifizierung sein.
  • Um Interessenkonflikte zu minimieren, dürfen Schulung und Zertifizierung nicht in einer Hand liegen, sprich: die Prüfer*innen dürfen die Kandidat*innen nicht selbst ausgebildet haben und der Besuch eigener Ausbildungseinrichtungen darf weder Voraussetzung für die Zertifizierung sein noch Vorteile dabei bieten.

Festzuhalten ist, dass die Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren (Zertifizierte-Mediatoren-Ausbildungsverordnung – ZMediatAusbV) sicherlich ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung insofern war, als dort ein Titel für in der Mediation Tätige mit gesetzlich normierten Mindestanforderungen geschaffen wurde. Ein gewisser Verbraucherschutz wurde immerhin dadurch geschaffen, dass der Markt nun erkennen kann, wer offiziell für sich in Anspruch nimmt, „zertifizierter Mediator (m/w/d)“ nach diesen Anforderungen zu sein. Um eine Personenzertifizierung im Sinne der Anforderungen des internationalen Rechts handelt es sich bisher aber definitiv nicht.

Welche Alternativen zur Selbstzertifizierung gab es bisher für Mediator*innen?

Aber gibt es überhaupt eine seriöse Alternative zu diesem Missstand? Bisher blieb nur der Weg zu einem der vielen Berufsverbände für Mediator*innen, bei denen es eine unüberschaubare Vielzahl ganz unterschiedlicher Lizenzierungen und Zertifizierungen zu beantragen gibt. Deren Qualitätsanspruch geht meist weit über den der Rechtsverordnung hinaus, indem dort nicht nur höhere Anforderungen an die Dauer und Struktur der Ausbildungskurse, sondern auch an die nachzuweisende Mediationspraxis sowie die Selbstreflektion in der Supervision und Intervision gestellt werden. Abgesehen von der Intransparenz für den Markt aufgrund der Zersplitterung der Verbandslandschaft haben diese Qualitätssiegel jedoch zwei entscheidende Schönheitsfehler: Zum einen ist deren Erwerb und Erhalt an die kostenpflichtige Mitgliedschaft in dem jeweiligen Verband gekoppelt. Zum anderen, und dies macht das Fehlen von Objektivität mehr als offenkundig, wird als Regelfall einer anerkennungswürdigen Mediationsausbildung grundsätzlich nur der bei einem Mitglied oder Institut des jeweiligen Verbandes absolvierte Ausbildungskurs betrachtet. Dadurch entstand bei bestimmten Verbänden die skurril anmutende Situation, dass selbst hochqualifizierten Mediator*innen mit nachweislich fundierter Ausbildung und langjähriger Berufspraxis die Lizenzierung und Vollmitgliedschaft verweigert wurde. Mit einer solchen closed shop-Mentalität konnten die Verbände die Bedarfslücke einer fairen und transparenten Vergabe von Qualitätssiegeln nach objektiven Kriterien nicht füllen.

Weder die Selbstzertifizierung noch die Ausstellung von Zertifikaten durch das eigene Ausbildungsinstitut noch durch einen Verband den eigenen Mitgliedern gegenüber entspricht also den allgemein anerkannten, internationalen Anforderungen an eine seriöse Personenzertifizierung.

Wer ist der QualitätsVerbund Mediation (QVM) und was leistet er?

Was nach über zehnjährigem, zähem Ringen der Verbände um eine gemeinsame Linie kaum noch jemand erwartet hatte, ist jetzt Wirklichkeit geworden: Vier der führenden Mediationsverbände haben gemeinsam eine nach transparenten Kriterien arbeitende, unabhängige Zertifizierungsstelle ins Leben gerufen, die für alle Mediator*innen offen steht, unabhängig von einer Verbandszugehörigkeit oder bestimmten Ausbildung. Zu diesem QualitätsVerbund Mediation (QVM), der als gemeinnützige GmbH ohne wirtschaftliches Eigeninteresse eine verlässliche, objektive Qualitätskontrolle nach den jeweils aktuellen internationalen Regelungen der Personenzertifizierung (derzeit: ISO/IEC 17024:2012) durchführt, gehören die Bundes-Arbeitsgemeinschaft für Familien-Mediation e.V. (BAFM), der Bundesverband Mediation in Wirtschaft und Arbeitswelt e.V. (BMWA), das Deutsche Forum für Mediation e.V. (DFfM) und die Deutsche Gesellschaft Mediation e.V. (DGM). In die QVM-Prüfungskommissionen werden sorgfältig ausgesuchte, in professioneller Mediation, Mediationsausbildung und Supervision erfahrene Persönlichkeiten berufen, die nicht selbst in die Ausbildung der Antragstellenden involviert waren und ihnen somit neutral und unbefangen gegenüberstehen.

Als verbandsübergreifende Stelle im Sinne der Begründung des Mediationsgesetzes durch die Bundesregierung vergibt die QVM-Zertifizierungsstelle zwei abgestufte Qualitätssiegel:

QVM-Mediator / QVM-Mediatorin

Das ist der „Goldstandard“, der die Anforderungen der Zertifizierte-Mediatoren-Ausbildungsverordnung (ZMediatAusbV) umfasst und zugleich quantitativ und qualitativ deutlich über sie hinausgeht. Der QVM-Standard wurde auf der Grundlage von 30 Jahren Erfahrung in Mediationsausbildung und -ausübung von Lehrenden und Praktizierenden entwickelt und stellt eine Art „Best of“ der Kriterien der führenden Berufsverbände dar. Er setzt einen Ausbildungsumfang von mindestens 200 Zeitstunden mit näher aufgeschlüsselten Inhalten und einem erfolgreichen Abschlussprojekt, 20 Zeitstunden zusätzliche Intervision in der Peer Group, insgesamt fünf supervidierte eigene Mediationen im Umfang von insgesamt 25 Zeitstunden mit zwei Falldokumentationen innerhalb von drei Jahren nach Abschluss der Ausbildung und das Bestehen einer Abschlussprüfung voraus. In diesem etwa 45-minütigen Prüfungsgespräch mit zwei QVM-Gutachter*innen werden auf der Basis der Falldokumentationen fachliches Wissen, Interventionen und die mediatorische Haltung erörtert.

„Zertifizierter Mediator“ nach Mediations-Gesetz und Verordnung

Die QVM-Zertifizierungsstelle überprüft und bestätigt außerdem das Vorliegen der Voraussetzungen für den „zertifizierten Mediator (m/w/d)“ entsprechend der Zertifizierte-Mediatoren-Ausbildungsverordnung (ZMediatAusbV) i.V.m. dem Mediationsgesetz. Einzureichen sind die Bescheinigung des Ausbildungsinstitutes gem. § 2 Abs. 6 ZMediatAusbV sowie die Einzelsupervisionsbescheinigung.

Rezertifizierung

Für beide Qualitätssiegel wird zudem eine regelmäßige Rezertifizierung angeboten. Die ZMediatAusbV erfordert spätestens zwei Jahre nach Abschluss der Ausbildung gem. § 2 ZMediatAusbV einmalig den Nachweis weiterer Einzelsupervisionen zu vier eigenen Mediationsfällen, sodass hier weitere vier Supervisionsbescheinigungen einzureichen sind. Für die Rezertifizierung beider Qualitätssiegel werden im vierjährigen Turnus Fortbildungsbescheinigungen über 40 Zeitstunden verlangt.

Fazit: Was kann der QVM verändern?

Der QualitätsVerbund Mediation (QVM) gibt allen Mediator*innen die Möglichkeit, sich von einer unabhängigen, neutralen und fachkundigen Prüfstelle zertifizieren zu lassen. Damit können sie das Etikett „zertifiziert“ fortan im Sinne der eigentlichen Bedeutung des Wortes tragen, sodass die Verbraucher*innen tatsächlich auch das bekommen, was auf der Packung steht. Es gibt also endlich eine seriöse und für Verbraucher*innen faire Alternative zur Selbstzertifizierung!

Aber die Ziele des QVM gehen weit über die Zertifizierung nach den Anforderungen der Rechtsverordnung hinaus. Vorrangig geht es darum, mit dem Zertifikat zum QVM-Mediator / zur QVM-Mediatorin einen hohen, von allen führenden Berufsverbänden anerkannten Qualitätsstandard für Mediation zu etablieren. Menschen in Konflikten sollen durch dieses verlässliche Qualitätslabel darauf vertrauen können, dass sie es mit einem Profi der Mediation zu tun haben, der nicht nur eine fundierte Ausbildung durchlaufen, sondern seine Kompetenz auch hinreichend in der Praxis erprobt und seine Arbeit in der Supervision reflektiert hat.

Der QVM leistet durch die Überprüfung professioneller Haltung und Kompetenz einen wertvollen Beitrag dazu, dass sich Mediation als verantwortungsvoller Beruf und damit auch als gleichrangige Alternative zum Rechtsstreit durchsetzen kann. Hier geht es um nichts Geringeres als die Veränderung unserer Konfliktkultur: Das Ziel ist, dass der Friedenspfad der Mediation mindestens ebenso anerkannt und leicht zugänglich wird wie der bisher als Normalität angesehene Kriegspfad des Gerichtsverfahrens. Qualitätssicherung durch eine sowohl inhaltlich als auch verfahrenstechnisch seriöse Zertifizierung von Mediator*innen schafft Vertrauen und erhöht die Akzeptanz der Mediation in der Gesellschaft. So wird der Boden dafür bereitet, dass weitere wichtige Schritte wie die Einführung einer Mediationskostenhilfe oder eines obligatorischen Informationsgesprächs über Mediation vor jedem Rechtsstreit mit überzeugenden Argumenten gefordert werden können. Auch wenn die Mediation auf dem Weg zu diesem ambitionierten Ziel noch viele Hindernisse zu überwinden hat – mit der Gründung des gemeinnützigen QualitätsVerbundes Mediation und der Schaffung eines vertrauenswürdigen Qualitätssiegels für professionelle Mediator*innen ist es den beteiligten Verbänden gelungen, gemeinsam einen entscheidenden Durchbruch zu erzielen.

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